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Sozialisierung

27/01/2013

 

Entwicklungsphasen des Welpen

Nachfolgend einige Informationen über die psychische und körperliche Entwicklung des Wesens und der körperlichen Fähigkeiten eines Hundes in den ersten sechs Monaten seines Lebens.
Der Hund ist ein Lernlebewesen. Anfangs wird sein Tun noch überwiegend von angeborenen Verhalten gelenkt. Doch rasch nimmt die Umwelt mit ihren Eindrücken und Reizen zunehmend Einfluss auf die Entwicklung. Das heißt, dass die Erfahrungen, die der Hund mit seiner Umwelt macht, und das, was er daraus lernt, weitgehend die Auswirkung der angeborenen Eigenschafen bestimmen. So macht das Zusammenwirken von Angeborenem und Erlerntem letztlich das Wesen unseres Hundes aus.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die große Verantwortung, die sowohl der Züchter als auch der zukünftige Besitzer für eine gesunde Entwicklung seines Welpen tragen.

 

Die ersten drei Wochen

Nach etwa 63 Tagen Tragezeit wird ein Welpe geboren. Augen und Ohren sind noch geschlossen, und der kleine Hund wirk recht hilflos und unfertig. Doch er steckt voller Lebensenergie. Innerhalt seiner unmittelbaren Umgebung funktionieren bereits sein Geruchssinn sowie sein Empfinden für unterschiedliche Wärmegrade.
Das Wichtigste für den Welpen in diesen ersten Wochen ist die Befriedigung seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse nach Nahrung und Nestwärme. Ebenso entscheidend für eine gesunde Entwicklung ist die Entstehung des sogenannten Urvertrauens. Dies wird dem Welpen durch dir Fürsorglichkeit und Pflege seiner Mutter vermittelt, vorausgesetzt, sie ist normal veranlagt und zeigt ein ausgeprägtes Brutpflegeverhalten.

 

Erste Lernleistung

Nachdem er von seiner Mutter abgenabelt und intensiv geleckt wurde, wird der lebenstüchtige Welpe alle Energie aufbieten, um mit Hilfe seines Geruchssinnes das Gesäuge zu finden und sich einen Zitze zu erobern. Abgesehen davon, dass die Muttermilch lebensnotwendig ist, hat das selbständige Erreichen des Gesäuges noch einen anderen Sinn.
Der Welpe hat seine erste Lernleistung vollbracht, das heißt, er ist aus eigener Anstrengung zu einem Erfolg gekommen und hat anschließend einen angenehmen Zustand, den des Sattseins, erreicht. Natürlich bedeutet das Suchen des Gesäuges und das Sichdurchsetzen gegen die Geschwister einen gewissen Stress für einen Welpen. Verhaltensforscher haben jedoch herausgefunden, dass dieser Stress für eine gesunde entwicklung des Hundes sehr wichtig und notwendig ist.

 

Zweite Lernleistung

Genauso verhält es sich mit dem sogenannten Kontaktliegen. Welpen haben die Angewohnheit, zum Schlafen ganz nah zusammenzurücken oder sich dicht an ihre Mutter zu kuscheln. So stillen sie ihr Bedürfnis nach lebenswichtiger Wärme, Geborgenheit und Vertrauen. Dabei ist jeder Welpe bestrebt, mit Hilfe seines Temperaturempfindens den wärmsten Platz in der Gemeinschaft zu finden.
Vorausgesetzt, sie ist normal veranlagt und zeigt ein ausgeprägtes Brutpflegeverhalten.

 

Die dritte Lebenswoche

Etwa am Anfang der dritten Lebenswoche macht der Welpe einen großen Schritt in seinem Dasein. Seine Augen öffnen sich, und das Gehör beginnt zu funktionieren. Auch seine Milchzähne brechen durch. Aufgrund dieser Veränderungen erweitert sich die Wahrnehmungsfähigkeit, und auch der Bewegungsdrang des kleinen Hundes wird immer größer. Nun beginnt er, aktiv seine Umwelt zu erkunden, und ist gerüstet für den nächsten, ganz entscheidenden Lebensabschnitt.

 

Vierte bis achte Lebsnwoche

Anfang der 4. Lebenswoche setzt der erste Teil der Sozialisierungsphase ein, der etwa bis zum Anfang der 8. Lebenswoche dauert. Nachdem Augen und Ohren sich geöffnet haben, steht dem Welpen sozusagen die Welt offen. Schrittweise vergrößert sich jetzt der Aktionsradius des kleinen Hundes. Dabei ergänzen sich die psychische und die körperliche Entwicklung.
Je aktiver und beweglicher der Welpe wird, um so eifriger erforscht er seine Umgebung. Von der Natur ist es deshalb so eingerichtet, dass das Gehirn eines Welpen dem Alter entsprechend eine jeweils begrenzte Zeit lang für bestimmte Reize und Erfahrungen empfänglich ist. Was der Welpe in diesen Phasen erlebt, prägt sich nahezu unauslöschlich in sein Gehirn.

 

Prägung auf Artgenossen

Sie ist einer der wichtigsten Vorgänge in dieser Phase. Wenn zu Beginn dieses Entwicklungsabschnitts alle Sinne ihre Tätigkeit aufnehmen, ist es dem Welpen erstmals möglich, Mutter und Geschwister zu sehen, zu hören und zu riechen. Das aus diesen Eindrücken gewonnenen Bild prägt sich dauerhaft in das Gehirn des jungen Hundes ein.

 

Sozialisierung mit dem Menschen

Sie findet zwischen der 3. und 8. Woche statt und ist notwendig, damit der Hund auch im Menschen einen Artgenossen im weiteren Sinne sieht. Diese Sozialisierung, die die Voraussetzung für das Vertrauensverhältnis des Hundes zum Menschen bietet, ist überwiegend jetzt möglich und kann später nicht mehr in diesem Maß nachgeholt werden. In dieser Zeit müssen Welpen engen Kontakt zu verschiedenen Menschen haben, um viele gute Erfahrungen zu sammeln. Besucher sollten sie streicheln, auf den Arm nehmen und mit ihnen spielen. Für einen zukünftigen Familienhund ist es ideal, wenn er bereits in dieser Zeit gute Erfahrungen mit Kindern machen kann.

Ein Hund, der in diesem Lebensabschnitt keinen oder zu wenig Kontakt mit Menschen hat, kann je nach Charakter zwar bis zu einem gewissen Grad an sie gewöhnt werden. Er wird aber unter Umständen nicht so vertrauensvoll wie ein früh sozialisierter Hund. Oft ist so ein Tier im Umgang mit Menschen nicht ganz zuverlässig, im ungünstigsten Fall kann es zum Angstbeißer werden.

 

Sozialisierung mit anderen Heimtieren

Auch sie ist jetzt möglich. Wächst der Welpe etwa mit „hundefreundlichen“ Katzen auf, wird er auch später gut mit ihnen auskommen.

Auch in der körperlichen Entwicklung macht der Welpe in diesem Lebensabschnitt große Fortschritte.
In der Zeit nach der Geburt konnte er sich nur durch Kriechen oder Krabbeln vorwärtsbewegen. Nun lernt er andere Fortbewegungsarten wie Klettern, Hüpfen, Laufen und vieles mehr. Er ist dabei natürlich noch recht unsicher und tolpatschig. Aber jetzt ist er körperlich und geistig so weit, das Wurflager zu verlassen und die Umgebung zu erkunden. Dabei vergrößert sich sein Aktionsradius ständig.
Um der Entwicklung des Welpen gerecht zu werden, muss er die Möglichkeit haben, viele Erfahrungen mit seiner Umwelt zu machen. Denn alles, was er jetzt kennenlernt, wir d später für ihn ganz selbstverständlich sein. Wächst der Welpe im Haus auf, begegnet er automatisch allem, was so zum Alltag gehört, zum Beispiel dem Staubsauger, dem Rührgerät, verschiedenen Arten von Bodenbelägen und ähnlichem. Ein verantwortungsvoller Züchter wird seinen Welpen eine Art „Abenteuerspielplatz“ mit verschiedenen Beschäftigungs- und Spielmöglichkeiten bieten. Manche Züchter unternehmen mit der Hündin und den Welpen kleine Erkundungsausflüge. So gesehen, haben Welpen, die im Frühjahr oder Sommer geworfen werden, weit mehr Gelegenheit, ihre Umwelt zu erforschen, als Herbst- oder Winterwelpen.

 

Sozialverhalten

Noch etwas erfährt der Welpe in dieser Zeit: innerartliches Sozialverhalten. Sowohl durch das Verhalten der Mutter in unterschiedlichen Situationen als auch durch das Spiel mit ihr und den Geschwistern lernt er, die verschiedenen Signale von Körper- und Lautsprache zu deuten und Verhaltensweisen zu übernehmen. Ein normales Verhalten der Hündin ist dabei wesentlich. Dennoch kann es trotz bester Aufzucht manchmal vorkommen, dass ein Welpe scheu und mißtrauisch bleibt. In diesem Fall liegt wahrscheinlich eine angeborene Wesensschwäche vor.

 

Die Bedeutung für den Hundebesitzer

In diesen ersten acht Lebenswochen trägt der Züchter eine große Verantwortung für die gesunde Entwicklung der Welpen. Wachsen sie irgendwo abseits auf, bleibt ihnen die Umwelt mit ihren wichtigen Erlebnissen vorenthalten. Die Folge können schwere Verhaltensstörungen sein. Zudem wird die Entwicklung des Gehirns gehemmt, was zu einer verminderten Lernfähigkeit führt.

 

Dritter bis fünfter Monat

Auch in dieser Zeit der Sozialisierungsphase lernt der Welpe prägungsähnlich. Deshalb sind auch diese Wochen sehr wichtig. Je nach Rasse dauert die Sozialisierungsphase bis etwa zur 16., längstens bis zur 20. Woche.

Der Lebensabschnitt des Welpen ist von drei Faktoren gekennzeichnet:

  1. eine besonders ausgeprägte Bereitwilligkeit, sich in einen sozialen Verband zu integrieren
  2. eine große Lernbereitschaft
  3. ein hoher Spieltrieb.

Das Interesse an der Umwelt steigt, und mit ihm das Bedürfnis des Welpen, sie zu erforschen. Durch Spielen werden Muskeln und Knochen trainiert, innere Organe wie Herz und Lunge in ihrer Leistungsfähigkeit erhöht. Der Welpe lernt, sich immer sicherer zu bewegen. Wie bei seinen wilden Verwandten werden in dieser Zeit die Grundlagen für eine problemlose Verständigung mit Artgenossen gelegt.

 

Umzug ins neue Zuhause

In die Sozialisierungsphase fällt gewöhnlich auch die Übergabe des Welpen an seinen neuen Besitzer. Im allgemeinen ist es günstig, den Hund zu Beginn dieser Phase zu sich zu holen, damit diese optimal genutzt wird. Lebt er jedoch beim Züchter unter den besten Bedingungen, also mit reichlich Gelegenheit, die Umwelt zu erforschen und mit Geschwistern und Mutter zu spielen, kann man ihn auch bis zur 10. Woche dort lassen. Auf jeden Fall sollte der Welpe vor Ablauf der Sozialisierungsphase in sein neues Zuhause einziehen.
In den folgenden Wochen werden die Weichen für ein harmonisches Zusammenleben des Menschen mit dem Hund gestellt. Die Trennung von Mutter und Geschwistern, verbunden mit dem Umzug in eine unbekannte Umgebung, ist ein großer Einschnitt im Leben des Welpen. Denn dadurch werden wichtige Entwicklungsprozesse momentan unterbrochen. Instinktiv weiß der Welpe, dass er ohne sein Rudel sozusagen verloren ist. Ein verlassener Wolfswelpe etwa würde in freier Natur unweigerlich umkommen. Der Selbsterhaltungstrieb veranlasst den Welpen nun dazu, Anschluss bei seinem neuen Rudel zu suchen.

 

Die Bedeutung für den Hundebesitzer

Diese Zeit ist die Phase schlechthin, in dem die Grundlagen für eine lebenslange enge Bindung geschaffen werden. Eine solche Bindung erreichen Sie, wenn Sie Ihrem Welpen sehr viel Zeit widmen und ihn möglichst ständig um sich haben. Nehmen Sie ihn ernst, das heißt, dass Sie ihn in diesem ganz wichtigen Lebensabschnitt als richtigen Hund betrachten sollten, nicht etwa als Schmuse- und Kuscheltier.
Von Anfang an müssen für den Welpen die gleichen Regeln gelten wie später für den erwachsenen Hund. Dieser kann zum Beispiel nicht verstehen, warum er als Welpe mit ins Bett durfte und nun, da er ausgewachsen ist, plötzlich auf seiner Decke schlafen soll. Ihm ist ja nicht bewusst, dass er vorher süß und klein war und nun vielleicht 40kg wiegt und 70cm Schulterhöhe misst. Ein Hund braucht zu seiner Orientierung und zur Bildung von Sicherheit und Vertrauen genaue Regeln, nach denen er sich richten kann und die immer gültig sind. Ist das gewährleistet, akzeptiert er seine menschlichen Sozialpartner und fühlst sich in seiner „Familie“ geborgen.

 

Gemeinsames Spiel ist wichtig

Sehr wichtig in der Sozialisierungsphase ist für den Welpen das Spiel mit Ihnen. Diese artgerechte Zuwendung mag er nicht nur sehr gern, sie trägt auch wesentlich zum Entstehen einer engen Bindung bei. Wenn Sie hin und wieder selbst zum Spiel auffordern oder bestimmen, wann es zu Ende ist, vermitteln Sie dem Welpen gleichzeitig, dass Sie der „Rudelführer“ sind. Durch das Spiel lernt der Welpe auch die Beißhemmung dem Menschen gegenüber. Erlauben Sie ihm also nicht, nach Körperteilen oder der Kleidung zu schnappen. Wenn der Kleine nach dem Spiel müde ist, können Sie sich zum ihm auf den Teppich legen

und so das Kontaktliegen imitieren. Auch dies fördert eine enge Bindung und gibt dem Hund Vertrauen.

 

Viele Umwelterlebnisse

In diesem Lebensabschnitt sollten neben ersten Übungen auch gemeinsame Unternehmungen mit Ihnen auf dem Programm stehen. Bieten Sie dem Welpen dabei viele Umwelterlebnisse, das fördert eine gesunde Wesensentwicklung. Vermeiden Sie aber eine Reizüberflutung.
Ermöglichen Sie dem Welpen viel Kontakt zu Menschen, selbst wenn er später ein Wachhund werden soll. Hat er rassebedingt einen gewissen Wachinstinkt in sich, verliert er diesen durch den Kontakt mit Menschen gewiss nicht. Dagegen kann ein kontaktarm aufgewachsener Hund zu misstrauisch werden, an sich unbedrohliche Situationen missverstehen und dann falsch reagieren.
Da die Sozialisierungsphase, wie schon erwähnt, eine Prägungsphase ist, sollte der Welpe alles, was in Zukunft zu seinem Leben gehört, kennenlernen. Führen Sie ihn ab und zu in der Stadt herum. Zeigen Sie ihm alle möglichen Arten von Gelände, sei es Wiese, Asphalt, Kies und ähnliches. Lassen Sie ihn auf verschiedenen Bodenarten wie Fliesen-, Holz- oder Teppichböden laufen oder ab und zu Treppen steigen, um späteren Unsicherheiten vorzubeugen. Bei Spaziergängen können Sie kleine „Abenteuer“ einbauen, zum Beispiel zusammen mit dem Welpen einen umgestürzten Baumstamm oder einen Erdwall überwinden. All das fördert das Zusammengehörigkeitsgefühl.
Reagiert Ihr Welpe in einer normalen Situation etwas unsicher, sollten Sie dies spielerisch übergehen. Sie verstärken das ängstliche Verhalten, wenn Sie ihn beruhigend streicheln oder womöglich auf den Arm nehmen.

Textausschnitte aus „Unser Welpe“ von Katharina Schlegl-Kofler, GU Verlag