UPdate: 6. August 2013 – Brustgeschirr oder Halsband?!
Brustgeschirr oder Halsband?!
In den letzten Jahren sieht man immer mehr Hunde, die über ein Brustgeschirr geführt werden, früher wurden beinahe ausschließlich Halsbänder verwendet. Deshalb werden wir häufig gefragt, welche Art der Halsung wir empfehlen. Unsere Antwort auf diese Frage lautet eindeutig: das Brustgeschirr! Die Gründe hierfür sind folgende: Das Geschirr schont die Gesundheit des Hundes, denn sein gesamter Halsbereich bleibt unbelastet. Das hat zur Folge, dass die empfindliche Halswirbelsäule geschont wird, die beim Tragen eines Halsbandes extremen Belastungen ausgesetzt wird, denn nicht nur sie wird beeinflusst, sondern jeder Druck oder Ruck verursacht weiterlaufende Bewegungen im ganzen Körper, da der Hundekörper dabei verbogen wird. Zusätzlich werden die Luftröhre und der Kehlkopf belastet, weshalb ein ziehender (oder gezogener!) Hund röchelt und hustet. Dies ist aber nicht das einzige Problem, denn wie alle Körperstrukturen hängt der Kehlkopf nicht einfach frei im Hals-Rachen-Bereich, sondern ist in ein Weichteilgewebe eingebetet. Das wichtigste Weichteilgewebe (leider häufig in seiner Funktion und Wichtigkeit verkannt) ist das Bindegewebe und bindegewebsartige Strukturen vernetzen unseren gesamten Körper. Dadurch kommt es zu einer Fernwirkung auf den gesamten Körper, wenn an einer Stelle eingewirkt wird. Es ist so, als ob man an einer Tischdecke zieht: Nicht nur der Teil, an dem wir ziehen, bewegt sich, sondern auch der Rest der Decke. Bezogen auf den Leinenruck oder das Ziehen am Halsband (bis zu einem gewissen Grad, aber deutlich abgeschwächt, auch beim Ziehen im Brustgeschirr) bedeutet dieses, dass der Hundehalter immer auch auf weiter entfernt liegende Gewebe einwirkt. Dieses Gewebe wird (meist) nicht direkt mechanisch verletzt, sondern reagiert auf Reize (Leinenruck/ Zug) über eine neuroreflektorische Verkettung, da in ihm zahlreiche Rezeptoren sitzen, die für die Reaktion auf Einwirkungen verantwortlich sind. Deshalb spricht man von einem neuroreflektorischem Regelkreis. Bei unangenehmen Reizen kommt es zur Spannungserhöhung im Gewebe, die sich entlang der Bindegewebszüge weiter fortsetzen und so auch auf andere Strukturen einwirken (vergl. Tischdeckenprinzip). Da das Bindegewebe auch Nerven, Gefäße und Lymphbahnen umhüllt, führt eine Spannungserhöhung in ihm zu einer Verschlechterung der Zirkulation (Blut- und Lymphfluss) und ggf. zu einer Stimulation des Nervengewebes, was eine Entzündung nach sich ziehen kann. Gerade im Halsbereich gibt es sehr viele empfindliche Strukturen: Neben dem Kehlkopf, der natürlich auch durch eine direkte mechanische Einwirkung wie den Leinenruck verletzt werden kann, liegt ein Stück weiter oben das Zungenbein, bei dem es sich ebenfalls um einen empfindlichen Bereich handelt, der über die Muskulatur mit dem Kehlkopf, dem Unterkiefer, der Zunge, dem Brustbein, dem Schlundkopf und über eine knorpelige Verbindung sogar direkt mit dem Schädel verbunden ist! Spätestens hier wird deutlich, dass neben den direkten lokalen Einwirkungen auch immer mit Fernwirkungen bei Manipulationen über das Halsband gerechnet werden muss, da die erwähnten Muskeln zum Teil im Bereich des Halses verlaufen. Einwirkungen auf diese Muskeln können über so genannte Läsionsketten (über Spannungserhöhung entlang der Bindegewebsketten) auch zu Spannungserhöhungen und in Folge Strukturschädigungen in anderen Geweben führen. Im Bereich der oberen Kopfgelenke kann es bei Störungen zu Schwindel, Übelkeit, Sehstörungen und sogar Tinnitus kommen. Zu weiteren Symptomen zählen bei Störungen in der oberen Halswirbelsäule (C0-C2) Konzentrations- und Wahrnehmungsprobleme, Nervosität, Müdigkeit, Probleme mit dem Kiefer, den Augen und Ohren und Kopfschmerzen.
Zu den Symptomen bei Störungen im Bereich der unteren Halswirbelsäule (C3-C7) zählen unter anderem Lahmheiten in den Vordergliedmaßen. Häufig ist eine Schonhaltung zu beobachten, bei der der Kopf tief getragen wird, um dem Schmerz auszuweichen.
Vom Menschen weiß man, dass Störungen im Bereich der Halswirbelsäule zu Schwindel und Gleichgewichtsproblemen führen. Zusätzlich bestehen über die Halsfaszien (ebenfalls Bindegewebsstrukturen) Verbindungen zur Schilddrüse und Nebenschilddrüse. Das Halsband muss also gar nicht direkt auf der Schilddrüse liegen, um auch diese zu beeinflussen. Außerdem verläuft in der Drosselrinne eine wichtige Vene. Wird dort durch ein Halsband Druck aufgebaut, kommt es zu einem venösen Rückstau in den Schädel, der zu einer Druckerhöhung und als Folge dieser zu Kopfschmerzen führt. Schon 2006 wurde die Studie „Effects of the Application of Neck Pressure by a Collar or Harness on Intraocular Pressure in Dogs“ veröffentlicht, deren Ergebnisse eindeutig belegen, dass Hunde, die über ein Halsband geführt werden, eher zu Glaukom und grauem Star neigen. Ebenso wird in der Studie darauf hingewiesen, dass bei Erkrankungen des Auges, für die ein erhöhter IOP (intraokulärer Druck) verantwortlich ist, das Tragen eines Halsbandes fatale Folgen hat. Es gibt viele weitere anatomische Strukturen, die durch ein Halsband negativ beeinflusst werden und Schmerzen verursachen: Arterien, Venen, Hirnnerven, Speiseröhre, Luftröhre, Lymphknoten und Schilddrüse. Das Problem liegt allerdings darin, dass die Schäden an ihnen nicht so offensichtlich zu beobachten sind wie zum Beispiel ein gebrochenes Bein. Bei Schmerzen an der Halswirbelsäule hinkt der Hund oftmals nicht, seine Schluckbeschwerden kann er uns nicht erzählen, ein leichtes Hängen des Augenlides fällt dem Laien ebenso wenig auf wie eine verengte Pupille usw. usw. Um die oben genannten Symptome wirklich zu verstehen, schlagen wir Ihnen folgendes Experiment vor: Legen Sie sich selbst ein breites,weiches Halsband um, hängen Sie eine Leine ein und bitten Sie einen Freund, diese zu halten, während Sie Ihren Körperschwerpunkt nach vorne richten (1).
Achten Sie darauf, dass Ihr Körpergewicht wirklich im Halsband hängt (wie bei einem ziehenden Hund) und probieren Sie nun aus, wie lange Sie diese Position halten können und welche körperlichen Symptome entstehen. Sie werden innerhalb weniger Sekunden spüren, wie sich das Blut im Kopfbereich staut, Sie einen starken Druck auf den Schlä- fen wahrnehmen und in Folge Kopfschmerzen bekommen. Wenn Sie dieser Eigenversuch noch nicht überzeugt, machen Sie die gleiche Übung noch einmal mit einem rundgenähten Halsband (2) oder einem Kettenwürger (3). Eine weitere Steigerung läge darin, den Freund am Ende der Leine zu bitten, Sie zu irgendeinem Zeitpunkt, der für Sie nicht absehbar ist, an diesem Halsband zurück zu ziehen, so wie man es als Mensch tut, wenn man den Hund schnell aus einem Gefahrenbereich nehmen muss. Zeigen Sie sich verantwortlich für die Gesundheit Ihres Hundes und legen Sie ihm ein Geschirr an, das ihn vor den oben genannten Schäden schützt. Es ist vergleichbar mit dem Anlegen des Sicherheitsgurtes im Auto: Selbstverständlich tut man alles, um einen Unfall zu verhindern, aber wenn es zu einem kommt – möchten Sie dann den Sicherheitsgurt um den Hals gewickelt haben?! Auch das Argument mancher Hundehalter, ihr Hund ziehe niemals an der Leine und deshalb bestünde keine Gefahr, entpuppt sich immer als falsch, denn selbst ein sehr gut ausgebildeter Hund ist ja nicht allein für die Leinenführigkeit verantwortlich, sondern ist immer auch abhängig von seinem Menschen am anderen Ende der Leine, dem es zu keinem Zeitpunkt passieren dürfte, dass er zum Beispiel unbewusst mit der Leine herumspielt oder den Hund gedankenverloren weiter zieht, weil er gar nicht bemerkt hat, dass dieser zum Beispiel zum Urinieren stehen bleiben wollte usw. Neben den gesundheitlichen Aspekten gibt es aber noch weitere Gründe, ein Geschirr statt eines Halsbandes zu verwenden. Wenn Ihr Hund einmal aus einer Gefahrensituation herausgezogen werden muss, können Sie das an dem stabilen Rückensteg des Geschirres problemlos tun, ohne ihn zu würgen. Am Halsband ist es zum Beispiel nicht ohne weiteres möglich, den Hund aus einem Schacht oder Fluss herauszuziehen, ohne ihm dabei gesundheitliche Schäden zuzufügen. Bei Hundebegegnungen, die mit einer gewissen Anspannung verlaufen, können Sie ebenfalls über den Rückensteg des Geschirres viel besser eingreifen als über das Halsband, denn um in dieses greifen zu können, müssen Sie von oben kommend in den Nacken des Hundes fassen, was von ihm schnell als Angriff interpretiert werden kann. Das wiederum kann im Eifer des Gefechts zu Abwehrreaktionen führen. Hinzu kommt, dass Hunde unter anderem über Assoziation lernen, was bedeutet, dass sie einen Reiz, den sie gerade wahrnehmen, gedanklich mit dem Gefühl verbinden, dass sie zu diesem Zeitpunkt empfinden. Wenn Sie also auf einen anderen Hund, ein Kind oder auch Ihren Nachbarn zulaufen und Ihren Hund dabei sehr kurz, ruckartig oder sonst unangenehm am Halsband führen, wird er die dabei unangenehmen Gefühle (keine Luft zu bekommen, Schmerz zu empfinden usw.) gedanklich mit diesem Tier oder dieser Person verknüpfen. Innerhalb kürzester Zeit können so Aggressionen entstehen, die sich der Halter in der Regel gar nicht erklären kann, die aber auf dieses Gedankenmuster zurückzuführen sind. Die bekannteste so entstehende Aggressionsform ist die Leinenaggression, die insbesondere bei den Hunden häufig vorkommt, die am Halsband über den Leinenruck gearbeitet werden. Viele Kynologen betonen, dass der Hals des Hundes eine wichtige soziale Empfangsstation für positive und negative Zuwendung ist. Die Halsseiten des Hundes dienen dem Kontakt mit engen Freunden in vertrauensvollem Umgang, Nacken und Kehle dienen als Bereiche der Einordnung. Führen wir einen Hund an einem noch so komfortablen Halsband, lässt sich nicht verhindern, dass über die Leine falsche Informationen zum Hund fließen, denn ein Halsband berührt ständig alle Halsseiten und desensibilisiert diese für Berührungen. Wir können unsere Hände gar nicht so ruhig halten, dass die Leine immer locker durchhängt, weshalb viele Hundehalter ihrem Hund durch unbewusstes Herumfuchteln und Gezupfe an der Leine ein Chaos an Signalen übermitteln, die dieser bald zu ignorieren lernt. Seine „soziale Empfangsstation“ stumpft ab und er lernt, dass es schwierig ist, mit seinem Menschen zu kommunizieren! Die Körpersprache eines Hundes, der stark an der Leine zieht oder gezogen wird, verändert sich, wenn er an einem Halsband geführt wird. Die Körperhaltung wird provokanter, da der Hals nach oben gestreckt wird. In manchen Fällen halten die Besitzer die Leine sogar so straff und kurz nach oben, dass der Hund regelrecht ausgehebelt wird und auf den Hinterfüßen steht, was bei der Führung über ein Geschirr nicht passieren kann. Verheddert sich ein Hund mit dem Brustgeschirr, wird ihm zumindest nicht die Luft abgedrückt und die Gefahr des Strangulierens ist nicht gegeben. Viele mit Geschirr entlaufene Hunde sind ohne zurück gekommen, denn zur Not lässt sich ein Geschirr vom Hund durchbeißen, wenn er irgendwo fest hängt. Ein Halsband nicht! Die Befürchtung mancher Hundehalter, ihren Hund kräftemäßig nicht mehr im Griff zu haben, wenn er ein Geschirr trägt, ist unbegründet und wird in der Regel von denen als Argument in die Waagschale geworfen, die es noch nicht versucht haben. Die Führung eines Hundes ist eine Frage der Erziehung und Führtechnik und nicht des Kraftaufwandes.
Zieht man alle diese Argumente in Betracht, finden wir es nach heutigem Wissensstand unabdingbar, dass unsere Hunde an einem Brustgeschirr geführt werden. Bei der Auswahl des Geschirres sollten Sie auf folgende Punkte achten:
• Das Material, aus dem das Geschirr gefertigt ist, sollte weich und anschmiegsam sein. Am besten auch waschbar, falls sich Ihr Hund einmal in etwas übel Riechendem wälzt.
• Das Geschirr sollte an allen Enden zu öffnen sein, damit es dem Hund bequem angelegt werden kann. Wählen Sie möglichst kein Geschirr, das so vernäht ist, dass Sie die Pfote(n) Ihres Hundes hindurchziehen müssen, denn viele Hunde empfinden das als sehr unangenehm.
• Der Steg auf dem Rücken sollte fest vernäht sein, damit die an ihm eingehängte Leine nicht hin und her rutscht und damit es keine Scheuerstellen am Körper gibt. Ausserdem sollte er nicht zu kurz sein, da sich das gesamte Geschirr sonst beim Tragen nach vorne zieht.
• Zwischen den Bändern, die seitlich über den Rumpf des Hundes laufen, und der Achselhöhle sollte bei mittelgroßen bis großen Hunden eine Hand breit Platz sein, da sich das gesamte Geschirr sonst beim Tragen nach vorne unter die Achselhöhlen zieht und dort einschneidet und scheuert. Bei kleinen Hunden wie Dackel oder Chihuahua reicht eine Breite von ein bis zwei Fingern aus.
• Die Bänder, aus denen das Geschirr gefertigt ist, dürfen nicht zu schmal sein. Ist die Auflagefläche der Bänder nämlich nicht breit genug, können sie einschneiden.
• Die Verschlussschnallen sollten stabil und so abgerundet sein, dass sie sich der Körperform anpassen.
• Wenn Sie das Geschirr angelegt haben, achten Sie darauf, dass es nicht zu eng sitzt, denn sonst drückt es schmerzhaft auf die Wirbelsäule. Sie sollten bequem mit Ihrer Hand unter das Geschirr gleiten können, dann sitzt es richtig.
• Stellen Sie das Geschirr so ein, dass es nicht vorne auf den Brustbeinknochen drückt.
• Über Nacht oder bei längeren Aufenthalten zu Hause sollten Sie das Geschirr abnehmen.
Quellen: Clarissa v. Reinhardt, www.animal-learn.de / Sabine Harrer, Physiotherapeutin, www.dogsphysio.de
Halsbänder
Kettenhalsbänder, Kettenwürger und andere Würgehalsbänder, Stachelhalsbänder, Oberländer und Moxonleinen sind grundsätzlich als tierschutzrelevant einzustufen und abzulehnen. Sie verursachen schmerzhafte Schäden an den weichen Strukturen des Bewegungsapparates und sind nicht selten Auslöser für eine Leinenaggression oder andere Fehlverknüpfungen, bei denen der Hund die schmerzhafte Einwirkung am Hals mit dem zu diesem Zeitpunkt erblickten Reiz verbindet und deshalb Flucht- oder Abwehrverhalten gegenüber diesem zeigt. In begründeten Ausnahmefällen, zum Beispiel wenn sich ein Hund ein Geschirr (noch) nicht anlegen lässt, kann der Einsatz eines breiten, weichen Halsbandes aus Stoff oder Leder sinnvoll sein. Die Breite des Halsbandes sollte dabei so gewählt sein, dass mind. 1 ½ Wirbelkörper der HWS umschlossen werden. Es ist auch darauf zu achten, dass der Verschluss nicht im Bereich der empfindlichen Halsunterseite aufliegt, wie dies leider meistens der Fall ist.
Einstufung
Je nach Bauart und Einsatz fallen Halsbänder in den Bereich der Tierschutzrelevanz. Der Einsatz von breiten, abgepolsterten und weichen Halsbändern ist in begründeten Ausnahmefällen und bei entsprechend vorsichtigem Handling zu befürworten.
Leinenruck
Bevor verschiedene Leinen und ihr sinnvoller bzw. unsinniger Einsatz aufgezeigt wird, möchte ich kurz auf den leider noch häufig verwendeten Leinenruck eingehen, bei dessen Ausführung dem Hund mit Schwung in die Halswirbelsäule geruckt wird. Hierbei kommt es zu einem erheblichen Schmerzimpuls, es wird billigend in Kauf genommen, dass Kehlkopf, Luftröhre, Speiseröhre, Schilddrüse, Zungenbein und blutzuführende Gefäße zum Kopfbereich geschädigt werden. In Folge kommt es zu einer Erhöhung des Hirndrucks sowie einer Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff. An der Unterseite des Halses hat der Hund keine Muskulatur, die seine darunter liegenden Organe (z.B. Speiseröhre, Luftröhre, Schilddrüse!) schützen kann.
Abgesehen von diesen körperlich Schäden kann es zu unerwünschten Verknüpfungen beim Lernen kommen, denn der Hund verbindet gedanklich die Schmerzeinwirkung mit dem in diesem Moment Erlebten oder in diesem Moment Gesehenen! Beispiel: Ein junger Hund sieht einen Artgenossen oder ein Kind und möchte am liebsten zu diesem, um überschwänglich zu begrüßen. Der Hundehalter zieht den Hund mit Leinenruck weg, weil er die Begegnung nicht wünscht. Der Hund verknüpft die schmerzhafte Einwirkung mit dem Artgenossen bzw. Kind. Schon nach wenigen Wiederholungen dieser Art verfestigt sich beim Hund die Information: Wenn ich einem Artgenossen oder Kind freundlich begegnen will, erleide ich Schmerzen. So schnell entstehen Misstrauen und Aggressionen gegenüber Artgenossen bzw. Kindern!
Einstufung
Eindeutig tierschutzrelevant und somit strikt abzulehnen.
Leinen
Selbstverständlich muss ein Hund über eine Leine gesichert werden. Die Leine sollte allerdings nicht dazu benutzt werden, den Hund zu führen, sondern lediglich, ihn zu sichern. Gemeint ist damit, dass der Hund über Körpersprache und Stimme geführt und nicht einfach an der Leine herumgezerrt wird.
Auch ein Training, bei dem der Hund ständig darauf achten muss, bloß niemals in den Zug zu kommen und korrekt an der (meist linken) Seite des Menschen zu laufen, weil er sonst mit Strafe zu rechnen hat, ist – insbesondere bei gestressten Tierheimhunden – abzulehnen. Die Spaziergänge sollen für den Hund eine Abwechslung vom Tierheimalltag, Erholung und Zeit zum Entspannen sein. Deshalb ist es nicht sinnvoll, sie mit ständigen „bei Fuß“-Befehlen, Leinenrucks und „Kasernenhofdrill“ zu gestalten, so dass der Hund noch mehr angestrengt, gestresst und verunsichert wird als er es sowieso schon ist.
Das Ziehen der Hunde an der Leine sollte beim Verlassen des Tierheims und in den ersten Minuten des Spaziergangs einfach ignoriert werden, denn einen Hund dafür zu disziplinieren, dass er sich freut, einfach mal raus zu dürfen, steht in krassem Wiederspruch zum Tierschutzgedanken.
Eine optimale Leinenlänge für normale Spaziergänge sind 3 Meter. Diese Länge ermöglicht dem Hund Erkundungsverhalten links und rechts vom Weg, ohne gleich in den Zug zu kommen. Außerdem kann er so gut ausweichen, wenn ihm Personen oder Artgenossen entgegen kommen, zu denen er lieber Distanz aufbauen möchte. An Engstellen, auf dem Gehsteig oder bei Begegnungen, die ein großzügiges Ausweichen nicht zulassen, kann die Leine für einen Augenblick verkürzt werden. Dabei sollte der Hund aber ruhig angesprochen und nicht einfach herangezerrt werden, denn das Körpergefühl des Festgehaltenwerdens verursacht bei vielen Hunden ein Angstgefühl, dass sich in Abwehrverhalten nach außen kompensiert. Der Hund erhält durch den Druck der kurz gehaltenen Leine keine Möglichkeit, dem vermeintlichen Gegner auszuweichen – was ihn zur Abwehr oder kopflosen Panik veranlasst.
Sehr kurze Leinen zwingen den Hund, seine Individualdistanz und die seines Menschen dauerhaft zu unterschreiten, was nach den Regeln seines Sozialverhaltens einer Provokation gleichkommen kann. Die Unterschreitung der Individualdistanz unterliegt bei Hunden festgelegten Ritualen und Regeln, wenn sie als eindeutig friedvoller Akt verstanden werden soll. Können diese Spielregeln nicht eingehalten werden, weil der Hund über die sehr kurze Leine zu dauerhafter Nähe gezwungen wird, entsteht Stress, der in Aggression und/ oder Angst umschlagen kann.
Die Argumentation, der Hund sei über eine kurze Leine besser zu kontrollieren ist daher nur situativ richtig, da lediglich sein Bewegungsradius eingeschränkt wird. Diese Art der Einschränkung sagt aber nichts aus über die Kommunikation zwischen Hund und Halter und deren Beziehung im Allgemeinen, da der Hund nicht freiwillig die Nähe seines Menschen sucht.
Gassi-Geher, die Angst haben, einen Hund mit längerer Leine nicht halten zu können, sollten entsprechend in der Leinenführtechnik und Hebelwirkung des Leinenhandlings geschult werden und bis dahin weniger kräftige Hunde ausführen.
Einstufung
Bei richtiger Leinenlänge und korrektem Handling optimal.
Retriever- oder Moxonleinen
Sie sind grundsätzlich abzulehnen, da sie den Hund würgen, die Luftzufuhr beeinträchtigen, massive Schäden an HWS, Wirbelsäule, Kehlkopf, blutzuführenden Gefäßen, Muskulatur, Schilddrüse und Bindegewebe auslösen können. Zusätzlich lösen sie schon bei geringem Zug erhebliche Schmerzen aus.
Einstufung
Absolut ungeeignet, lösen Schmerzen aus und schädigen den Organismus. Sollten grundsätzlich nicht zum Einsatz kommen.
Führleine
Als Führleinen werden Leinen bezeichnet, die aus einem sehr dünnen, meist rund gewebten Kunstfasermaterial oder feingliedrigen Ketten bestehen und dem Hund so angelegt werden, dass die Leine dicht hinter den Ohren entlang geführt und fixiert wird.
Mit kurzen kräftigen Rucken soll der Hund für unerwünschtes Verhalten reglementiert / korrigiert werden. Auf die Gefahren von gesundheitlichen Schäden und Fehlverknüpfungen habe ich bereits hingewiesen. Hier kommt aber noch ein wesentlicher Faktor hinzu: Die Leine wird deshalb so dicht an den Ohren vorbei geführt und fixiert, weil dort besonders empfindliche Schmerzpunkte des Hundes liegen. Daher schwärmen Anhänger dieser Methode auch davon, dass schon leichte Rucks ausreichen, um den Hund „gefügig“ zu machen. Die so angelegte Leine ist vergleichbar mit dem Nasenring des Bullen, der so ausgestattet vorgeführt werden kann, weil er vor lauter Schmerzen jeden Druck am Nasenring zu vermeiden sucht. Jeder Tierschützer/ Trainer/ Hundehalter, der so arbeitet, sollte sich schämen – oder outet sich mit fachlicher Inkompetenz, wenn er behauptet, von diesen Zusammenhängen nichts gewusst zu haben.
Einstufung
Zwingend abzulehnen, absolut tierschutzrelevant!
Schleppleinen (5 m/ 10 m):
Bei der Auswahl der Leine ist zunächst zu beachten, dass der Hundehalter den Hund noch halten können muss, wenn dieser mit Anlauf in die ausgegebene Leine läuft oder sehr umsichtig und vorausschauend mit ihr arbeiten muss. Mit anderen Worten: Ein Hund über 50 kg Körpergewicht kann nur von einem sehr erfahrenen und/ oder körperlich kräftigen Menschen an einer Leine geführt werden, die länger als 5 Meter ist. Nach oben genannten Erklärungen dürfte sich von selbst verstehen, dass Schleppleinen ausschließlich im Zusammenspiel mit einem Brustgeschirr verwendet werden dürfen, weil die Verletzungsgefahr, der der Hund ausgesetzt würde, wenn er ein Halsband trüge, unverantwortlich wäre.
Keinesfalls dürfen diese Leinen zum Training der „Verunsicherung auf Distanz“ eingesetzt werden, bei dem man den Hund bewusst in die Leinenlänge knallen lässt, um ihm Schmerzen zuzufügen und ihn zu verunsichern. Oftmals werden dem Hund sogar bewusst Reize vor Augen geführt, auf die er zuläuft, während der Mensch, der die Leine hält, mit deutlich Schwung in die andere Richtung rennt, um den Aufprall noch zu verstärken. Hunde, die nach solcher Behandlung vermeintlich brav und leinenführig neben dem Menschen herschleichen, sind nicht gut erzogen, sondern so eingeschüchtert, dass sie eben gar nichts mehr tun – und somit auch nichts Unerwünschtes. Das kann mit dem Tierschutzgedanken nicht in Einklang gebracht werden.
Das Material sollte bedacht gewählt werden, um die Verletzungsgefahr für Mensch und Hund zu minimieren. Biothane ist sehr gut geeignet oder flach gewebte Kunstfaser oder Baumwolle sind gut geeignet. Gefährlich sind dünne, rund gewebte Materialien, die zum Beispiel zum Knochenbruch führen können, wenn der Hund sein Bein darin verwickelt und heftig anzieht.
Verantwortungsvoll eingesetzt kann die Schleppleine ein gutes Hilfsmittel für Abrufübungen auf Distanz sein, den Hund trotz mehr Bewegungsfreiheit unter Kontrolle halten und vor allem beim Training zum unerwünschten Jagdverhalten gute Dienste leisten.
Einstufung
Fachgerecht eingesetzt ein gutes Hilfsmittel. Bei der „Verunsicherung auf Distanz“ eingesetzt absolut tierschutzrelevant und gesundheitsschädlich.
Antibellhalsbänder
Der Hund trägt ein Halsband, dessen Empfänger entweder einen Vibrationsimpuls oder einen Sprühstoß in Gang setzt, wenn dieser bellt, knurrt oder andere Lautäußerungen von sich gibt. Egal also, ob der Hund aus Angst winselt und jault, vor Schmerz oder Schreck aufheult, aus Verlassenheitsangst heult oder vor Freude bellt – jede seiner Lautäußerungen wird mit einem Strafreiz quittiert. Das Antibellhalsband bietet ein gutes Beispiel dafür, wie man die Seele eines Tieres auch ohne Schläge kaputt machen kann. Total verunsichert wagt der Hund es bald nicht mehr, sich über sein artspezifisches Verhaltensrepertoire zu äußern!
Zusätzlich kann das Gerät auch durch andere Erschütterungen/ Vibrationen ausgelöst werden, was den Hund dann vollends in die Verzweiflung treibt, weil er gar keinen Einfluss mehr auf die Auslösung des Strafreizes hat – also nicht einmal, wenn er sich ruhig verhält.
Einstufung
Als absolut tierschutzrelevant strikt abzulehnen.
Wasserspritzen
Der Hund wird für unerwünschtes Verhalten mit Wasser bespritzt, wofür in den meisten Fällen eine Wasserpistole oder eine sog. Wasserpumpgun, die deutlich mehr Druck auf dem Strahl hervorbringt, benutzt wird. Der Strahl wird dabei gezielt auf den Brust- oder Kopfbereich gerichtet, manchmal wird auch mitten ins Gesicht gespritzt. Der Hund unterbricht gerade gezeigtes Verhalten in der Regel deshalb, weil er überrascht ist und/ oder Angst vor dem Wasser hat. Diese zunächst harmlos anmutende Methode birgt einige Tücken:
Ängstliche Hunde werden zusätzlich verunsichert, bereits gestresste/ hyperaktive Hunde drehen noch mehr auf. Außerdem wird das Vertrauen zum Menschen untergraben, weil der Hund selbstverständlich sieht, wer die Pistole auf ihn richtet. Ein vertrauensvoller Beziehungsaufbau zum Halter/ Pfleger/ Gassigeher findet so nicht statt, zusätzlich besteht die Gefahr von Fehlverknüpfungen, die zu weiteren Verhaltensauffälligen führen.
Einstufung
Angsteinflößend, tierschutzrelevant und somit abzulehnen.
Trainingsdiscs
Bei den sog. Trainingsdiscs nach John Fisher wird das Geräusch von vier aufeinander scheppernden Metallscheiben durch Frustration oder Schreckeinwirkung/ Angst als Abbruchsignal konditioniert. Beim Übungsaufbau über Frustration wird mit den Metallscheiben lediglich leicht geklappert, beim Übungsaufbau über Schreckeinwirkung/ Angst werden sie dem Hund mit Wucht vor die Pfoten geknallt.
Wie bei allen aversiven Reizen besteht die Gefahr der Fehlverknüpfung, die vorab schon erläutert wurde. Bei den Trainingsdiscs kommt ein weiterer Faktor erschwerend hinzu: Nichts generalisiert sich beim Hund so schnell wie die Angst vor Geräuschen! Mit anderen Worten, ein mit DiscScheiben gearbeitet Hund schreckt häufig auch dann zusammen, wenn jemand einen Schlüsselbund in die Hand nimmt, im Werkzeugkasten kramt oder wenn andere metallische Geräusche erklingen. Er wird dann jedes Mal in die Frustration bzw. Angst versetzt, die beim Übungsaufbau erzeugt wurde – und verknüpft diese Angst mit der Situation oder Person, die er gerade erlebt. Das kann bis zur erlernten Hilflosigkeit gehen, bei der sich der Hund nicht mehr traut, irgendwelche Handlungen in bestimmten Situationen oder bei Anwesenheit bestimmter Personen zu zeigen.
Das zusätzliche Auslösen von Angstverhalten und Aggression ist möglich.
Einstufung
Absolut tierschutzrelevant und somit abzulehnen.
Wurfkette/ Rütteldosen
Das Prinzip ist ähnlich wie bei den Disc-Scheiben, allerdings wird in der Regel nur über Schreckeinwirkung und Angsteinflößung gearbeitet.
Einstufung
Absolut tierschutzrelevant und somit abzulehnen.
Kopfhalfter (Halti)
Das Kopfhalfter ist in Bauart und Anwendung ähnlich dem Kopfhalfter eines Pferdes. Dem Hund kann somit eine Blickrichtung vorgegeben und sein Gesichtsfeld in eine vom Menschen beliebige Richtung gedreht werden. Das Problem dabei ist, dass dem Hund somit die Möglichkeit genommen wird, seine Umwelt entsprechend seinen Empfindungen (Angst, Unsicherheit usw.) zu sichern, was seine Probleme definitiv verstärkt. Das Abwenden des Kopfes zur Aussendung artspezifischer Verhaltensweisen wie zum Beispiel den Beschwichtigungssignalen oder dem Fixieren des Gegners, um diesen auf Distanz zu halten, ist somit nicht mehr für ihn möglich, was ihn zusätzlich verunsichert. Ein Hund hat – ebenso wie ein Mensch! – das Bedürfnis, ihn verunsichernde oder provozierende Reize im Auge zu behalten, um die Situation jederzeit gut einschätzen zu können. Wird ihm diese Möglichkeit genommen, treten Probleme auf, die vorher gar nicht da waren – oder bereits vorhandene Probleme verschärfen sich.
Hinzu kommt der große Nachteil, dass der Nasenriemen des Halti`s eine Art Dauerschnauzengriff impliziert und in brenzligen Situationen häufig nach oben in die Augen verrutscht, was zu Reizungen und weiterem Stress (vor allem in der ohnehin angespannten Situation) führt.
Einstufung
Aus den oben genannten Gründen ist das Halti abzulehnen.
Reizstromgeräte/ Stromimpulsgeräte
Diese wurden per Urteil vom 23.02.2006 durch das Bundesverwaltungsgericht verboten.
Maulkörbe
Bei ihrem Einsatz muss zunächst einmal die Bauart des jeweiligen Modells berücksichtigt werden. Alle Maulkörbe, die wie „Tüten“ oder Schlingen um den Fang des Hundes gelegt werden, so dass dieser seinen Fang nicht mehr vernünftig oder sogar gar nicht mehr öffnen kann, sind abzulehnen. Insbesondere deshalb, weil der Maulkorb häufig in für den Hund stressigen Situationen (beim Tierarzt, in Menschenmengen, bei Unverträglichkeit mit Artgenossen) zum Einsatz kommt, in denen die Körpertemperatur des Hundes ansteigt. Zum Ausgleich dieser erhöhten Körpertemperatur muss es dem Hund möglich sein, zu hecheln und auch mit Maulkorb Wasser zu sich zu nehmen. Ist dies nicht gewährleistet, wird eindeutig der Bereich der Tierquälerei erreicht und es kann zu Situationen kommen, die die Gesundheit des Hundes ernsthaft gefährden!
Maulkörbe, die wirklich einem Korb ähneln, der über den Fang gebracht wird, gewährleisten hingegen, dass der Hund ausreichend frei atmen oder – bei erhöhter Atemfrequenz – hecheln kann. Bei ihnen ist zu beachten, dass sie gut abgepolstert sind, um beim Hund nicht Scheuerstellen im Gesichtsbereich zu provozieren und dass er schrittweise an das Aufsetzen und Tragen gewöhnt wird.
Zwingend notwendig ist weiterhin, dass der Maulkorb tragende Hund nicht unachtsam oder sogar vorsätzlich provoziert oder in Situationen gedrängt wird, die ihn überfordern. Der Hund ist seiner Wehrhaftigkeit weitgehend beraubt und spürt das auch, wodurch sich bei ihm das Gefühl des Ausgeliefertseins verstärkt. Wird diese Situation nun ausgenutzt, kann es zu heftigen Abwehrreaktionen kommen, wenn
a) das nächste Mal versucht wird, ihm den Maulkorb aufzusetzen.
b) er der Person ohne Maulkorb begegnet, die ihn traktiert hat.
c) er in die Situation kommt, die er als so furchtbar empfunden hat.
Bei unsachgemäßer Anwendung kann der Maulkorb also zu großen Problemen führen!
Einstufung
Bei entsprechendem Modell, schrittweiser Gewöhnung und umsichtiger Führung, wenn der Hund den Maulkorb trägt, möglich. Ansonsten tierschutzrelevant.
Pfeifen
Beim Einsatz der Pfeife muss wieder unterschieden werden, welche Art von Pfeife zum Einsatz kommen soll. Abzulehnen sind sog. „Hundepfeifen“, die ein vom menschlichen Ohr kaum hörbares Signal von sich geben. Sie arbeiten in einem Frequenzbereich, der den Hunden sehr unangenehm ist – was natürlich auch keine gute Voraussetzung dafür ist, ihn zum Näherkommen zu bewegen!
Büffelhornpfeifen (heute übrigens meist aus Plastik in Büffelhornoptik) sind sinnvoller. Wichtig ist jedoch, dass der Hund entsprechend auf den Pfiff konditioniert wurde, bevor dieser erwünschtes Verhalten wie Rückruf, Absitzen auf Distanz oder ähnliches auslöst. Dies ist zwar logisch, aber leider noch nicht bis zu jedem Hundefreund durchgedrungen, der glaubt, der Einsatz einer Pfeife führe automatisch dazu, dass der Hund zum Beispiel herankommt.
Ein Nachteil im Gegensatz zum Stimmeinsatz liegt darin, dass die Pfeife jederzeit einsatzbereit/ griffbereit sein muss. Wurde sie zu Hause vergessen oder muss sie in relevanten Situationen erst unter den Taschentüchern, Schlüsseln usw. aus der Tasche gekramt werden, macht sie unter Berücksichtigung des Timings für akkurate Lernverknüpfungen keinen Sinn.
Einstufung
Bei vorheriger Konditionierung ist die Pfeife ein geeignetes Hilfsmittel, um Hunde auf größere Entfernung zum Herankommen, Absitzen usw. zu bringen. Dies gilt insbesondere für Personen, die eine sehr leise Stimme haben oder aufgrund gesundheitlicher Probleme oder aufgrund großer Schüchternheit nicht in der Lage sind, laut und deutlich zu rufen.
Clicker
Der Clicker ist ein Knackfrosch aus Metall, der zunächst über die klassische und dann über die instrumentelle Konditionierung als Sekundärverstärker aufgebaut wird. Die Vorteile sind darin zu sehen, dass der Anwender gezwungen ist, sich mit dem Lernverhalten seines Hundes und der Wichtigkeit eines zumindest (sehr) guten Timings zu beschäftigen. Sein Augenmerk wird darauf gerichtet, was der Hund alles gut und richtig macht und bei richtiger Anwendung hat der Hund viel Spaß beim Training und wird von Erfolg zu Erfolg geführt. Zusätzlich hat man die Möglichkeit, mit sehr schwierigen Hunden auch auf Distanz zu arbeiten.
Ein Nachteil ist darin zu sehen, dass der Clicker für alltägliche Situationen deshalb oft nicht eingesetzt werden kann, weil er dann absolut jeden Augenblick einsatzbereit in der Hand getragen werden müsste. Deshalb ist es sinnvoll, die Prinzipien des Clickertrainings mit einem Schnalzgeräusch der Zunge oder einem anderen, jederzeit beliebig reproduzierbaren Geräusches ohne Hilfsmittel aufzubauen.
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass viele Menschen mit dem notwendigen Timing und Wissen über Lernverhalten überfordert sind. Durch falsch eingesetzte Clicks wird der Hund von ihnen schnell in die Frustration gebracht, weil er nicht versteht (nicht verstehen kann!), was von ihm erwartet wird, damit er den erwünschten Click und die damit angekündigte Belohnung erreichen kann.
Einstufung
Bei entsprechend gutem Handling ein sehr zu empfehlendes Hilfsmittel. Allerdings auch nur dann.
Belohnungsarten
Grundsätzlich kann zwischen der Primär- und Sekundärmotivation unterschieden werden. Bei ersterer tut der Hund etwas um der Handlung selbst willen, nicht um ein für ihn interessantes Ziel zu erreichen. Er läuft zum Beispiel über ein Hindernis des Geräteparcours, weil es ihm einfach Spaß macht.
Bei der Sekundärmotivation kann über Futterbelohnung, Spiel und/ oder positive Zuwendung gearbeitet werden.
Bei der Futterbelohnung ist darauf zu achten, dass der Hund wirklich für gut ausgeführte Handlungen belohnt und nicht sinnlos mit Leckerchen vollgestopft wird. Außerdem sollten die Belohnungshappen auch wirklich lecker sein – und zwar aus Sicht des Hundes! Manch Halter, der in inbrünstigster Überzeugung sagte, sein Hund sei mit Leckerchen nicht zu motivieren, wurde eines besseren belehrt, wenn man mit Wurst, Käse, getr. Pansen oder anderen Leckereien gearbeitet hat.
Bei der Spielmotivation ist zu beachten, dass der Anteil der Beutespiele mit sog. „Motivationsobjekten“ gering gehalten wird, damit der Hund nicht zum Spieljunkie mutiert, was seinen Stresslevel deutlich(!) anhebt. Außerdem erhält die Beute für ihn eine so hohe Wertung, dass ihre Verteidigung nicht weit ist. So mancher Mensch hat seinen Hund schon regelrecht in die Beuteaggression hinein trainiert.
Bei der positiven Zuwendung kann Streicheln, Loben, Kuscheln eingesetzt werden. Auch hierbei ist zu beachten, dass der Hund dies auch wirklich als Belohnung empfindet. Ein schüchterner Hund zum Beispiel kann das Streicheln auch als unangenehm empfinden.
Einstufung
Belohnung als Verstärker für erwünschte Verhaltensweisen ist absolut zu befürworten. Welche Belohnungsart zu welchem Zeitpunkt und für welche Handlung eingesetzt wird, muss dem individuellen Tier angepasst werden.
Der Einsatz von Stimme, Körpersprache und Sichtzeichen
Beim Einsatz der Stimme sollte man sich an der Lautgebung des Hundes orientieren, wenn man bestmögliche Verständigungsergebnisse erzielen will. Hier fallen einige Punkte deutlich auf:
Hohe Töne an ein Gegenüber gerichtet lösen positive soziale Zuwendung aus. Die Welpen zum Beispiel fiepen, ein erwachsenes Tier schaut nach ihnen. Hunde, die sich freundlich begrüßen, wählen hohe Töne, um dem Artgenossen zu zeigen, dass eine Unterschreitung der Individualdistanz in Ordnung bzw. erwünscht ist.
Tiefe Töne an ein Gegenüber gerichtet zeigen diesem, dass eine Handlung unerwünscht ist bzw. mehr Distanz gefordert wird. Tiefes Knurren, Grollen usw. gehört unmissverständlich zum Drohverhalten.
Leise Töne erzeugen eine erhöhte Aufmerksamkeit, denn sie werden eingesetzt, wenn Beute oder Feinde in der Nähe sind. Aus Sicht eines Kaniden macht es logischer Weise keinen Sinn, sich die Position des Beutetieres zuzubellen, da dieses sofort flüchten würde.
Für den Umgang mit dem Hund bedeutet dies, für erwünschte Handlungen eine freundliche, helle Stimme einzusetzen, für unerwünschte Handlungen eine tiefere Stimme zu benutzen und eine leise/ ruhige Stimme, um Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Vor diesem Hintergrund mutet es geradezu unsinnig an, wenn Kommandos mit tiefer, lauter Stimme gegeben werden, die den Hund ängstigt, verunsichert und aus seinem sozialen Verständnis, nicht provozieren zu wollen (!), auf Distanz hält. Kommandos sollten immer mit freundlicher Stimme gegeben werden, um die Motivation des Hundes, ihnen zu folgen und sich in der Regel in die Nähe des Menschen zu begeben, hoch zu halten. Abgesehen davon zeichnet sich ein Despot, der mit strenger/ lauter Stimme arbeitet, nicht als souveräner Führer der sozialen Gemeinschaft aus, dem man sich gerne anvertraut!
Wird die Stimme im tieferen Bereich eingesetzt, um unerwünschte Handlungen zu unterbrechen, muss dies immer situationsbezogen und mit absolut perfektem Timing geschehen. Sobald der Hund die unerwünschte Handlung unterbricht bzw. die erwünschte einleitet, muss der Druck aus der Stimme genommen werden.
Beim Einsatz der Körpersprache ist darauf zu achten, dass diese keine missverständlichen Signale aussendet, indem der Hund zum Beispiel abgerufen wird, während man sich auf den Weg zu ihm begibt oder ihn nach vorne gebeugt eher bedroht als zum Herankommen einlädt. Die grundlegenden Regeln hierzu könnten den Gassigängern/ Tierpflegern/ zukünftigen Haltern usw. in einem Seminar vermittelt werden.
Da Hunde sehr aufmerksame Beobachter sind, nehmen sie körpersprachliche Signale schnell und präzise auf. Deshalb ist es sinnvoll, das Training/ die Anweisungen an sie mit Sichtzeichen zu unterstützen. Eine einladende Handbewegung zum Herankommen oder eine Richtung angebende bei der Aufforderung zum Weitergehen seien hier als Beispiele genannt. Abschließend hoffe ich, dass ich Ihnen mit dieser erklärenden Kurzversion über Ausrüstungsgegenstände Anregungen geben konnte, wie man das Leben der Hunde im Tierheim verbessern und ihre Vermittlungschancen erhöhen kann.
Hunde, die ihr Zuhause und ihre Bezugsperson verloren haben, räumlich begrenzt leben müssen, einem relativ hohen Lärmpegel ausgesetzt sind und sich in einer Situation der Erwartungsunsicherheit befinden, haben mit einem hohen Stresslevel zu kämpfen. Deshalb sollten wir uns bemühen, ihnen das Leben unter diesen Umständen so angenehm wie möglich zu gestalten.
Quellenachweis:
- Clarissa von Reinhardt/ Martina Scholz: Calming Signals Workbook 2004, animal learn Verlag
- Turid Rugaas: Die Beschwichtigungssignale der Hunde 2001, animal learn Verlag
- Sabine Neumann: Tierheim – Schicksal oder Chance?! 2006, animal learn Verlag
- Celina del Amo/ Viviane Theby: Handbuch für Hundetrainer 2011, Eugen Ulmer KG – Thomas Riepe: Herz
- Hirn – Hund 2012, animal learn Verlag – Clarissa v. Reinhardt: Leinenaggression 2009, animal learn Verlag
- James O’Heare: Das Aggressionsverhalten der Hunde 2008, animal learn Verlag – James O’Heare: Die Neuropsychologie des Hundes 2009, animal learn Verlag
- Zeitschrift: „Der Hund“, Ausgabe 01/2011 AG Osteopathie zum Thema Halsband oder Geschirr
- Dorit Feddersen-Petersen: Hundepsychologie 2004, Kosmos Verlag.
- PDF Leitlinien zum tierschutzkonformen Umgang mit Hunden